Über Analoges und Digitales

Die Digitalisierung

Die Digitalisierung ist mittlerweile in (beinahe?) jeden Bereich des Lebens vorgedrungen. Industrie 4.0 ist in aller Munde, digitale Medien sind normal geworden und unsere Kinder wachsen mit diesem Verständnis auf. Man verspricht sich also viel davon und hat ein schier unbegrenztes Vertrauen in die digitale Welt. Oder zweifelt da doch jemand? Ich frage mich ob die Digitalisierung tatsächlich mehr Vor- als Nachteile in unser Leben gebracht hat. Jedenfalls regt mich dies immer wieder zum Denken und Grübeln an.

« Unser Leben hat sich seit der Digitalisierung krass verändert. »

Sind wir nicht zuletzt eher überfordert mit der Flut an Informationen, welche verfügbar sind und verlieren uns in der Komplexität der neu gegebenen Möglichkeiten? Ich empfinde das Leben als bestehtig komplizierter und hektischer. Von einer Vereinfachung merke ich leider selten etwas. Arbeitsstellen werden durch die Digitalisierung überflüssig, neue Stellen müssen oder sollten dafür geschaffen werden, damit die Technik überhaupt noch beherrscht werden kann. Wenn ich durch den Job bedingt schon nur an Software und Updates denke, wird mir beinahe übel. Können etwa die vielgepriesenen Roboter die Lösung für eine grössere Zufriedenheit sein? Schaffen sie es tatsächlich, uns mehr Freizeit und Lebensqualität zu verschaffen? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Die Analogtechnik

...hat bereits das Leben meiner Grosseltern auf den Kopf gestellt. Ein Telefon mit welchem man Leute in der Ferne erreichen konnte, war gespenstisch! Radios, welche Musik aus allen Ländern der Welt abspielen können... Plattenspieler, Kassettengeräte, Fernsehen, Beschallungsanlagen... dies war bereits mit der Analogtechnik möglich. Heutzutags hätten wir diese Medien einigermassen im Griff.

Für mich bedeutet Analogtechnik eine Verarbeitung von analogen Daten in Echtzeit. Roh, teilweise unpräzise, unscharf, in der Möglichkeit beschränkt aber in einer puren Version, wie es sie heute kaum noch gibt. Wer schon einmal die Gitarre in einen alten Röhrenverstärker gestöpselt hat, ahnt schon von was ich rede: Es rauscht etwas, es brummt etwas aber es ist eine unverblümter, echter Sound, der da zum Lautsprecher heraus perlt. Noch immer ist dies die Referenz für einen guten Sound in den Tonstudios und man versucht krampfhaft, diesen autentischen Sound in ein digitales Gewand zu pressen - verpackt in eine MP3-Datei oder über ein Mediadienst auf's Smartphone gestreamt.

« Analogtechnik hat etwas ehrliches und unverfälschtes für mich. »

Man denke bloss an die analogen Kameras. Bei 24 Bildern pro Film überlegt sich der Fotograf 10-fach, welches Motiv er fotografieren soll und in welchem Licht bei welchen Einstellungen. Heraus kommt eine Fotografie und kein digitaler Schnappschuss. Es landet nicht in einer digitalen Cloud und verliert sich irgendwo in der Datenflut. Eine Fotografie wird gerne gezeigt und lange angeschaut. Das Internet hat es geschafft, mich soweit abzustumpfen, dass ich keine Lust verspüren, unzählige Ferienbilder von Kollegen länger als eine halbe Sekunde anzusehen. Woher auch die Zeit dazu nehmen? Ich staune immer noch, mit was für einer einfachen Kamera mein Vater unsere Ferien-Fotos gemacht hat. Diese unglaubliche Ausdruckstärke der Bilder ist für mich digital beinahe nicht zu erziehlen - und schon gar nicht mit einem Smartphone.

« Gut Ding braucht noch immer Weile. »

Wer nicht müde geworden ist vom Lesen darf sich noch zurückerinnern an einen analog erzwungen Krampf, welcher sich Musikkassette nannte. Es rauscht, hat Gleichlaufschwankungen, leiert aus, verzerrt und trotzdem erkannten unsere Ohren noch immer, um welche hippe Band es gerade ging. Die Technik war nebst aufwendiger Mechanik überschaubar einfach. Alles Dolby-Surround und Noisefiltern hat leider nicht geholfen. Dafür hatte ein Audio-Video-Elektroniker noch das Vertrauen, diese Geräte zu reparieren. ohne zu scheitern. Trotzdem möchte ich diese Technik nie mehr nutzen müssen und bin dankbar für moderne Alternativen.

Fazit

Analog bedeutet für mich immer noch mehr Freiheit als digital. Ich versuche krampfhaft, weniger digitalen Schrott (sorry für die Ausdrucksweise) zu konsumieren und spiele gerade mit dem Gedanke, die alte Kamera wieder zu reaktivieren. Es ist mir bewusst, dass es beinahe unmöglich ist, der digitalen Welt zu entfliehen. Immerhin gelingt es mir zwischendurch in der Werkstatt hin und wieder oder beim Musik machen. Keine digitale Lösung also und meine digitale Entschleunigung für zwischendurch.

PS: Ich hätte meinen Spass daran, wenn beim Telefonieren immer noch das nette Fräulein vom Amt die richtige Verbindung stöpseln müsste um mir nach einer Minute mitzuteilen, dass der gewünschte Kollege wohl nicht daheim ist.